Montag, 30. November 2009

Ist im Baltikum ein aussichtsreicher Neustart nach dem Finanzdesaster möglich?


Die kleinen baltischen Länder stehen am Abgrund – und niemand in der EU schaut hin. Die dortigen Krisen-Verursacher hoffen auf Staatshilfe, damit sie weiter so, wie bislang, agieren können. Umdenken können die allein auf Gewinnmaximierung Fixierten nicht.

Die überfällige gemeinwesen-fördernde Neuorientierung müssen Unbelastete einleiten – und zwar unverzüglich, weil der Weg lang ist. Zuwarten führt ins Chaos, zur Implosion der Staatswesen und zum Zusammenbruch der Volksgemeinschaften.

Bis zum letzten Krieg gab es in der baltischen Region eine dem Westen in nichts nachstehende, erfolgreiche gemeinwesen-orientierte Finanzwirtschaft (Genossenschaftsbanken; Spar- und Darlehenskassen, sowie Versicherungen auf Gegenseitigkeit; den deutschen Sparkassen ähnliche Stadtbanken). Sie wurden von den Nationalsozialisten „entkernt“. Die Sowjets beseitigten die Reste der Bürgerlichkeit oder transformierten sie in Agenturen ihres Systems.

Die wichtigsten Träger dieser Systeme wanderten Anfang des Krieges - die ersten noch freiwillig, Nachfolgende aus Furcht - in Richtung Deutschland, aber auch in andere Weltgegenden, aus, unter ihnen viele Nicht-Deutschstämmige. Die in der Region gebliebenen Traditionsbewussten wurden als schädliche Elemente entweder von der Sowjetmacht eliminiert oder so stark terrorisiert, dass sie ihr kulturelles Erbe verdrängten. Darin wurzelt der Irrtum, es habe dort nie etwas Bodenständiges zur Existenzsicherung aus eigener Kraft gegeben. Die Akteure von damals leben nicht mehr. Ihre gesellschaftlichen Strukturen sind untergegangen. Die kulturellen Hinterlassenschaften aber sind in Archiven, vor Ort und anderswo, nahezu lückenlos vorhanden und verfügbar.

Nach der Wende dominierten am Credo „schrankenlose Marktwirtschaft“ ausgerichtete Lehrbücher und Berater. Die als Palliativ – keineswegs als Alternative - eingeführten, vom Markt abgekoppelten amerikanischen „credit unions“ gingen bereits im Vorfeld der Finanzkrise ein.

Die bis heute erfolgreichen gemeinwesen-orientierten Finanzinstitute in den alten EU-Ländern, vor allem diejenigen in Deutschland, haben verhindert, dass die Finanzkrise zur Katastrophe wurde – dank ihrer verbandseigenen Kontrollsysteme, die viel umfassender und tiefer gehend sind, als Staatsaufsicht je sein kann.

Die im Baltikum operierenden deutschen Landesbanken, Gemeinschafts-Einrichtungen von Sparkassen und Bundes-Ländern, verschweigen im Auslandsgeschäft ihre gemeinnützigen Grund-Mandate.

Die Landesbanken traf die Krise hart, vor allem, weil wegen der Staatsbeteiligung die gruppentypische Selbstkontrolle nicht stattfand. Aus deren Fehlern könnten die neuen EU-Länder viel lernen – zum Nutzen von Bürgern und öffentlicher Hand.

Die deutschen Genossenschaftsbanken prinzipiell als Aufbauhelfer geeignet, verweigern Aufbaupartnerschaften, weil sie das Eindringen östlicher Klein- und Mittel-Unternehmen, unliebsame Konkurrenz, so lange wie möglich behindern wollen.

Um in den neuen EU-Ländern wieder ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu etablieren, die Finanzwirtschaft zu vervollständigen und damit die Integration in die EU-Gemeinschaft erfolgreich zu machen, müssen einsichtige Bürger dort den Aufbau selbst in Angriff nehmen.

Gewiss, andere "alte" und "neue" EU-Regionen und EU-Kandidaten sind ebenfalls von der Finanzkrise sehr hart betroffen, etwa Griechenland, Irland, Ungarn, Rumänien und Island. Aber keines der genannten Länder verfügt über ein so reiches, auch für heute und morgen werthaltiges Erbe der Wirtschaftskultur; vor allem fehlen Letzteren erprobte "natürliche Referenzeinrichtungen" im westlichen Kontinentaleuropa für die Gestaltung von Auswegen aus der Krise.

Motto: Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. (Goethe, Faust I)

Der Verfasser hat als Orientierungshilfe die Dokumentationen der „Livländischen Gemeinnützige und Ökonomische Sozietät“ (1792 in Riga gegründet und, nach der schwierigen napoleonischen Zeit, in die damalige einzige Universitätsstadt Tartu/Dorpat verlegt, wo sie bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges arbeitete). Deren Dokumente ruhen – derzeit noch im Dornröschen-Schlaf – unter anderem in Tartu.

Schon früher gab es den heutigen durchaus ähnliche Probleme in den baltischen Ländern, die aus eigener Kraft gemeistert wurden. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich seitdem stark geändert, die materiellen Grundlagen des Wirtschaftens sind aber weitgehend unverändert geblieben. Schon das ermutigt, die Traditionen aufzuspüren.

Ratsam ist, die Inhalte der Dokumentationen zunächst bibliographisch aufzuarbeiten und sie dann nach für Gegenwartsprobleme relevanten Erkenntnissen zu durchforsten. Es wird sich viel ergeben, eingeschlossen Querverbindungen zu anderen relevanten Erkenntnisquellen und zu heute noch existierenden .verwandten Einrichtungen.

Der Verfasser ist seit der Wende zugleich in Deutschland und in Estland zu Hause. Er hat als EU-Berater die Grundlagen für die estnische Währungsreform erarbeitet. Dazu war er durch einen fundierten beruflichen Hintergrund im Währungs- und im gemeinwesen-orientierten und im allgemeinen Bankwesen befähigt.

Er (mail-Adresse:lewerenz.juergen@freenet.de; +49.2642.1532) hilft Initiativ-Gruppen gern ehrenamtlich mit Rat und Kontakten. Er hat bereits ausbaufähige Grundlagen geschaffen. Einzelheiten auf Anfrage.

Das „know-why“ kann gemeinschaftlich erarbeitet, Zugang zu erprobtem „know-how“ kann - ohne riesigen Aufwand – vermittelt werden. Die unerlässlichen Grundvoraussetzungen, Anstand und Ethik, müssen Mitarbeitsbereite mitbringen. Der Wiederaufbau in diesem Sinne wird inspirierend auf den Westen zurückwirken – ein wünschenswerter Begleiteffekt.